Anna war auf Madagaskar. nach ihrem Interview berichtet sie nun von Kirindy.
Das Trauma
Wie ich schon vor Reisebeginn wusste, würden mich gleich auf der ersten Etappe der Reise meine Ängste herausfordern. Und so ging es am vierten Tag auf Madagaskar mit gemischten Gefühlen los in Richtung Kirindy. Hier erwartete mich die simpelste Unterkunft während unserer Reise – ein schlichter Holzbungalow, immerhin mit Bad „en suite“. Das einzig fließende Wasser war in diesem Bad in den nächsten Tagen jedoch mein eigener Schweiß, denn die Luftfeuchtigkeit von ca. 80% war eine der größten Herausforderungen.
Als wir nachmittags ankamen, gab es keinen Strom, der Generator war ausgefallen und somit gab es keine Toilettenspülung, keine Dusche und kein kaltes Bier. Mit den beiden ersten Dingen kann man ja klarkommen. Aber kein kaltes Bier? Da fackelte die Reiseleitung nicht lang und es wurde aus der nächsten „Zivilisation“ ein Klotz Eis geholt. Die restlichen Probleme waren schneller gelöst: Vor jedem Bungalow wurden ein voller Eimer Wasser und ein Becher bereitgestellt. Da es zwar in den nächsten Tagen Strom gab, die Pumpe jedoch defekt war, blieb es bei dieser Art der Wasserversorgung.
Doch mich störte weniger das fehlende fließende Wasser und das warme Bier, denn in mir krabbelte es gewaltig. Zumindest fühlte es sich so an, denn der Bungalow hielt so einiges an sechs- und achtbeinigen Überraschungen bereit. Diverse Schaben und Spinnen in den Ecken, gepaart mit der Dunkelheit des Bungalows und dem dunklen, schlecht abzucheckenden Holz waren mir ein Graus. Als ich mein Bett direkt nach der Ankunft mit dem Moskitonetz hermetisch absichern wollte, rieselten aus dem über dem Bett zusammengeknoteten Netz erstmal ein paar tote Fliegen, Mücken und allerlei Pflanzenteile auf mein Bett. Das war zu viel für meine zarte Europäer-Seele und ich verfluchte die Entscheidung nach Madagaskar zu reisen.
Nach dem Abendessen (Es gab Hühnchen mit allerlei Insektenbeilage) ging es dann zur Nachtwanderung. Ok, es war noch nicht Nacht, aber stockdunkel. Mit unserem Guide liefen wir dann weiter in den Wald hinein. Er lief vor uns, stets bemüht mit einem Stock die riesigen Spinnennetze zu entfernen, die sich überall befanden. Ich lernte von da an, dass man zeitgleich immer nach unten UND nach oben gucken muss. Damit man nicht stolpert oder unter einer, zum Abseilen bereit sitzenden, Spinne stehenbleibt. Vielleicht können Chamäleons deshalb ihre Augen unabhängig voneinander nach unten und oben bewegen?!
Es gab viel zu sehen, innerhalb der kleinen Bereiche die unsere Lampen erhellten: Bunte Saftkugler, Spinnen, das ein oder andere Chamäleon, interessante Pflanzen. Aber stets war dieses Gefühl bei mir. Dieses unbestimmte, krabbelige … apropos: Da krabbelt was am rechten Arm. Unter meinem Shirt. Was ist das? Panik steigt hoch. Eine Spinne? Eine Schabe??? Ich leuchte mit meiner Kopflampe alles ab und da kommt wie aus dem Nichts ein riesiges, schwarzes Ding von unten auf mich zugeflogen. Es will mir ins Gesicht fliegen und ich schlage es weg, schreie und tanze wie eine Gabba-Braut auf LSD mitten im Wald.
Aber bevor ich völlig ausraste kommt eine besonnene Hand und greift vorsichtig nach diesem fürchterlichen, schwarzen, großen … Schmetterling. Den Rest des Urlaubs hatte ich mir die Warnung vor dem „Butterfly of death“ bei jedem noch so schönen Schmetterling gesichert. Nach diesem für mich recht traumatischen Ereignis konnte ich jedoch selbst darüber lachen und so hatten wir einen Running Gag schonmal gesichert.
Der Trockenwald
Diese Art des Waldes ist sehr rar und Kirindy somit einer der wenigen Orte, an dem man diese einzigartige Flora und Fauna erleben kann. Die Flora ist am ehesten durch die nahe an Kirindy liegende Baobab-Allee in Morondava bekannt. Den Baobabs werde ich noch einen eigenen Artikel widmen, denn diese majestätischen Bäume können einen ganz ordentlich in ihren Bann ziehen. Die Fauna rund um Kirindy ist vor allem durch die Fossa bekannt, dem größten Raubtier Madagaskars.
Bei unserer Ankunft konnten wir kurz eine Fossa erhaschen, es gibt zwei Exemplare die rund um das Camp leben. Leider war meine Kamera so schnell nicht richtig justiert, so dass ich kein wirklich brauchbares Foto machen konnte. Ein weiteres Highlight bei unseren Nachtwanderungen war der kleinste Primat der Welt, ein Mausmaki mit dem interessanten Namen „Madame Berthes Mausmaki“. Wie in diesem Falle auch, stellte ich immer wieder fest wie blind ich war im Auffinden der Tiere. Bis ich diesen kleinen Kollegen von knapp unter 10 cm anhand seiner reflektierenden Augen gefunden hatte, ist viel Zeit vergangen. Doch dies ging mir auch nach drei Wochen noch so, denn es gehört viel Übung und Wissen dazu, die getarnten und versteckten Tiere zu erkennen.
Am zweiten Tag war es so unfassbar heiß und schwül, dass wir tagsüber keinen Ausflug gemacht haben. Um trotzdem ein wenig fotografieren zu können, haben wir rund um das Camp Tiere gesucht und auch zahlreich gefunden. Weitere Schlangen wie z.B. Boas, Chamäleons, Geckos und viele Insekten.
Der Trumpf
Wie es immer so ist mit der Erwartungshaltung: Wer nichts erwartet, kann nur gewinnen. Ja, ich hatte Schiss vor Kirindy, und ja, die meisten Ängste wurden irgendwie auch erfüllt. Aber wenn ich jetzt an diesen Urlaub auf Madagaskar zurückdenke, dann war Kirindy eine nachhaltig prägende und sogar positive Erfahrung. Und da ich dort die schlimmsten Befürchtungen bereits bestätigt bekommen hatte, konnte es ja kaum noch schlimmer werden. Und das wurde es auch nicht. Für mich persönlich war Kirindy der Wendepunkt. Alles was danach kam, konnte ich mit einer gewissen Gelassenheit nehmen.
Anna ist freiberufliche Art Direktorin und hat vor kurzem das Fotografieren für sich entdeckt. Sie liebt Makro- und Landschaftsaufnahmen. Das Interesse für das Reisen kam erst vor einiger Zeit auf, lässt sich aber natürlich super mit Erkundungstouren mit der Kamera verbinden.