Ihre erste Fernreise auf eigene Faust führte Anna nach Madagaskar. Der Wunsch, die Tierwelt der Insel mit der Kamera zu erkunden war stärker als die vielen kleinen Sorgen, was schiefgehen könnte. Im Gespräch verrät Anna, wie sie die Reise erlebt und wie diese sie verändert hat.
Wenn Menschen sich an Fernreisen herantasten, wählen sie häufig zunächst Ziele wie die USA oder Thailand aus. Warum hast Du Dich für Madagaskar entschieden?
Warum Madagaskar? Keine Ahnung. Irgendwann als Kind erzählte mir meine Mutter, wir fahren mal nach Afrika. Daraufhin studierte ich den Diercke Weltatlas meiner großen Schwester und – warum auch immer – diese gar nicht so kleine Insel faszinierte mich. Die Hauptstadt Antananarivo kannte ich also vom Namen her schon mit sieben Jahren und habe sie nie vergessen. Meine Mutter und ich sind übrigens bis heute nicht zusammen nach Afrika gefahren.
Aber zurück zu deiner Aussage mit dem ersten Fernreise-Ziel: Ich bin ein halbes Jahr vorher mit Freunden tatsächlich in die USA gefahren. Dort haben wir drei Wochen lang die klassische Westküstentour gemacht: L.A., San Francisco, Las Vegas und die gängigen Nationalparks wie Grand Canyon und Co. Dieser Urlaub war dann auch inhaltlich die Initialzündung für Madagaskar: Der USA-Trip war mein erster nicht-pauschaler Urlaub und die vielen verschiedenen Orte in drei Wochen haben mich ziemlich beeindruckt. Und ich konnte viel fotografieren.
Doch ich wollte mehr: Mehr Zeit zum fotografieren und mehr Natur. Mehr echte Natur. Die Nationalparks in den USA sind ja an vielen Stellen sehr überlaufen, man macht die Fotos die auch alle anderen haben und man findet fast alle 500 Meter eine Imbissbude mit Parkplätzen. Generell war mir das also zu wenig Naturfeeling. Hätte ich vorher niemals gedacht, da ich jetzt kein eingefleischter Outdoorfreak bin und schätzungsweise auch nicht werde. Aber später mehr zu dieser Ambivalenz.
Als ich dann nach diesem fotografisch geprägten USA-Trip mal nach Fotoreisen zur Weiterbildung gesucht habe, stieß ich auf einen Anbieter von Fotoreisen – auf Madagaskar.
Ganz alleine warst Du nicht unterwegs? Warum hast Du eine Gruppenreise gebucht?
Das hatte gleich mehrere Gründe: Da ich gezielt eine Fotoreise machen wollte, brauchte es ähnlich interessierte Reisende. Außerdem bin ich als Freiberuflerin zeitlich flexibel, und konnte mich so an die angebotenen Zeiträume besser anpassen als alle die sich auf der Arbeit erst absprechen müssen. Als Single ist es außerdem generell schwierig, Reisebegleitungen zu finden mit dem gleichem Hobby, gleicher Flexibilität und mit denen man es auch „wagen“ möchte, eine solche Reise zusammen zu planen.
Welche Ängste hattest Du vor Deiner Reise?
(lacht) Viele. Meine größten Sorgen hatten sechs oder mehr Beine und können entweder fliegen, sind behaart oder groß. Da ich vorher schon wusste, dass es keine tödlich giftigen Tiere auf Madagaskar gibt, habe ich mich weniger um eine große Gefahr gesorgt, sondern mehr, dass mich krabbelige Besucher nachts heimsuchen. Wieviele Nächte ich mich vorab sorgte: Dass mir etwas unter die Decke krabbelt. Dass ich, nur mit einer Kopflampe im sonst dunklen Bungalow, die Krabbelgeräusche nicht orten kann. Dass mir was ins Gesicht krabbelt usw. Die Vorstellung, ohne Strom und ohne weiteres Umgebungslicht im „Notfall“ einer Insektenattacke, nicht zu wissen was um mich herum alles kreucht und fleucht … war der pure Horror.
In diesen Momenten der Horrorgedanken habe ich mich gefragt, wie bescheuert ich eigentlich war, diese Reise zu buchen. Und da sind wir auch bei der eingangs anmoderierten Ambivalenz. Da will ich mehr Natur als asphaltierte und mit Geländern bestückte Nationalparks. Und fürchte mich vor dem dort lebenden Kleingetier.
Was hat Dich auf Madagaskar am meisten beeindruckt?
Ich selbst. Ja, ohne Scheiß. Nach all diesen Horrorgedanken vorab, gepaart mit der totalen Vorfreude, war ich ziemlich beeindruckt wie kalt mich dann doch so manche Situation gelassen hat. Die 5 cm großen Schaben unter meinem Bett. Auch jene Schabe, die direkt neben meinem Kopf von der Decke fiel (sie fiel durch das Dach des Bungalows, der nur mit Palmwedeln bedeckt war), die Fledermäuse mit denen ich mir einen Bungalow teilte usw. Insgesamt hat es mich also beeindruckt, wie ich mich entwickelt habe. Auch wie man lernt, mit den örtlichen „Hygiene“-Standards Frieden zu schließen. Ja, diese Reise war letztlich nicht nur eine Weiterbildung in Sachen Fotografie sondern auch in der eigenen Persönlichkeit.
Ansonsten haben mich die Madagassen beeindruckt: Diese so freundlichen Menschen, die zum Großteil einfach nur herzlich und positiv sind. Trotz Armut vielerorts.
Gab es eine Situation, die Dich an Deine Grenze gebracht hat?
An meine eigenen Grenzen hat mich die Ankunft in Kirindy gebracht. Ich wusste vorab schon, dass dies die „schlichteste” Unterkunft unserer Reise sein wird: Es gibt dort nur einfache Holzbungalows inmitten des Trockenwaldes. Auf den Fotos im Internet sowie auch auf meinen eigenen kann man aber nicht ersehen, wie es sich tatsächlich angefühlt hat dort. Es traf so einiges am ersten Tag aufeinander, was meine Ängste komplett bediente: Stromausfall, kein fließendes Wasser, ein dunkler Holzbungalow in dessen Ecken sich kaum erkennen ließ welche Untermieter sich darin befinden …
Da dies am Anfang unserer Reise war, war es die Feuertaufe und natürlich im ersten Moment für mich persönlich der Tiefpunkt der Reise. Aber hey: Alles was danach kam war quasi ein Spaziergang. Und was ich dann alles so in Kirindy gesehen und erlebt habe und was das mit mir machte, könnt ihr bald hier auf dem Blog lesen.
Welchen Rat hast Du für Menschen, die Angst vor ihrer ersten Fernreise haben?
Informiert euch gut, denn Wissen ist immer gut, um emotionales Chaos und auch tatsächliche Probleme vor Ort zu mindern. Mir hat es total geholfen, mit Madagaskar-Profis unterwegs zu sein. Das hat mir viel Angst genommen, denn Madagaskar ist definitiv kein Einsteigerland zum Fernreisen. Lasst euch auch nicht reinreden: Jeder hat seine eigenen Grenzen und Unsicherheiten. Wenn euch etwas partout nicht gefällt oder die Ängste zu groß sind, dann lasst es und sucht euch ein passendes Ziel ohne Bauchschmerzen. Ein bisschen Mut und Willen schadet aber nicht, denn sonst wäre ich ja auch gar nicht erst losgefahren.
Würdest Du von der Planung bis zur Rückkehr wieder alles genau so machen?
Hinterher ist man immer schlauer. Ich würde mein Equipment anders planen. Es stellten sich manche Sachen als nutzlos heraus und bei anderem Zeug hatte ich am falschen Ende gespart. Auf jeden Fall bin ich für so eine Reise recht spontan los, da wurde es mit so mancher Impfung schon knapp. Bei der Rückkehr hätte ich mich im Übrigen in Amsterdam am Flughafen keinen Kaffee mehr trinken sollen. Dann hätte ich meinen Flieger auch nicht verpasst.
Was ist Dein nächster großer Reisetraum?
Davon habe ich jetzt so einige. Welchen ich davon in der Tat zuerst realisiere, hat dann auch noch einige Faktoren die ich aktuell nicht absehen kann.
Auf jeden Fall möchte ich aber nochmal nach Madagaskar. Dann in den Nordosten. Da wo die Unterkünfte noch schlechter sind und die Anstrengungen noch größer.
Anna ist freiberufliche Art Direktorin und hat vor kurzem das Fotografieren für sich entdeckt. Sie liebt Makro- und Landschaftsaufnahmen. Das Interesse für das Reisen kam erst vor einiger Zeit auf, lässt sich aber natürlich super mit Erkundungstouren mit der Kamera verbinden.
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