Dubai war ein einfacher Einstieg in die Weltreise. Aus der Komfortzone einer verwestlichten Stadt in der arabischen Welt geht es weiter auf den indischen Subkontinent. Delhi – die Hölle auf Erden wartet. Mein Respekt ist groß und basiert auf Erfahrung.
Meine letzte Indienreise vor fünf Jahren endete hier – diese Stadt hat mich an meine Grenzen gebracht und doch frage ich mich, ob sie nicht eine zweite Chance verdient.
Meine Erinnerung: Nach wunderbaren und beeindruckenden Wochen in Mumbai und diversen Städten im bunten Rajasthan war Delhi einfach nur krass. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass Menschen – fast im Kollektiv – so negativ sei können, dass ein Ort so grau, so seelenlos und so kräftezehrend ist. Ich verbrachte damals eine knappe Woche in der Stadt und ja – auch Delhi hat tolle Sehenswürdigkeiten, denen ich retrospektiv einen eigenen Artikel widmen werde.
Delhi soll diesmal nur mein Ankunftsort für meine Zeit in Indien sein. Eine späte Landung, eine Nacht in der Backpacker Hölle Paharganj und nichts wie weg hier, Richtung Himalaya.
Ich bin sogar nach fünf Jahren so schlecht auf Delhi zu sprechen, dass ich mir als Option einen Flug nach Mumbai offenhalte – wäre nur im Süden keine Regenzeit, Mumbai, Goa und Kerala locken mit ihrer Schönheit.
In Dubai stelle ich mich und steige in den Flieger nach Delhi. Ankunft im Dunkel; der Fahrer, den die Unterkunft stellt, erwartet mich schon. Durch den Verkehr, den ich deutlich dichter in Erinnerung habe, geht es in die Stadt.
Ich muss lächeln, als ich wieder erlebe, wie essentiell eine Hupe sein kann. Es scheint, als sei hupen für indische Verkehrsteilnehmer wie ein- und ausatmen: tun sie es nicht, bricht alles zusammen.
Im Ajanta Hotel angekommen, die erste positive Überraschung: es wurde renoviert und ist für indische Verhältnisse wirklich annehmbar. Ich beschließe, eine Nacht anzuhängen – denn ein Ziel dieser Reise ist es, zumindest gelegentlich ein wenig das Tempo in meinem Leben zu drosseln.
Der Smog in Delhi ist unfassbar – die Luft ist grau und schwer, jeder Atemzug fühlt sich an wie drei Zigaretten. Bei meinem letzten Besuch habe ich viel gesehen und so schnappe ich mir meine Kamera und spaziere durch das überwältigende Paharganj. Hier reiht sich Unterkunft an Unterkunft, hier tummeln sich Backpacker aus aller Welt, gerissene Rikscha- und Taxifahrer versuchen jeden übers Ohr zu hauen.
Da ist es wieder, das allgegenwärtige „Madam“, das mich in Indien immer und überall begleitet. Vor der Kulisse aus Hupen, Rufen, Leuchtreklamen, Straßenständen und Smog spüre ich wieder, wie sehr dieses Land mein Herz schlagen lässt – positiv wie negativ. Hier ist alles anders, was nicht notwendigerweise schlecht ist.
Indien ist ein Erlebnis für die Sinne. Viele Menschen zuhause fragen sich, warum ich in ein Land wie Indien reise. Die Antwort ist einfach. Indien ist aufregend, es bringt fast jeden Menschen an seine Grenzen und dann muss man sich die Frage beantworten, ob man ausweicht oder sich stellt.
Am Nachmittag werden überall provisorische Bühnen aufgebaut. Laute Musik schallt aus den Lautsprechern. Auf meine Frage, was hier geschehen wird, erfahre ich, dass es ein kleines Hindu Festival sein wird, „but only lower cast, Madam!“ Da ist es wieder, das Kastensystem. In vielen Ländern kann man reisen und mit ein bisschen Ignoranz komplett daran vorbeileben, wie ein Land funktioniert. Nicht so in Indien. Ich beschließe, mir das Festival nun erst recht anzusehen.
Am Abend geht es los und ich fühle mich ein wenig an den Kölner Karneval erinnert. Mehrere Kapellen aus den verschiedenen Stadtteilen Delhis laufen auf. Jede Menge bunter Wagen mit den verschiedenen Göttern: Hanuman, Shiva und Ganesha… Es ist schön zuzusehen und zu spüren, wie sehr sich die Menschen freuen, dass man sich mit ihnen freut. Mein Foto findet sich nun wahrscheinlich auf diversen indischen Facebook Seiten, aber das ist ein fairer Deal, denn auch ich halte meine Kamera auf alles, was geschieht. Essen gibt es heute vom Straßenstand. Sehr leckere Gemüsetaschen mit einem höllisch scharfen Dhal darauf. Holla die Waldfee!
Nacht zwei beschert mir eine Panikattacke. Der Smog ist einfach nicht auszublenden und der Gedanke, hier einen Asthmaanfall zu bekommen, dreht sich wie wild in meinem Kopf. Ich frage mich, was mich geritten hat, nach Indien zu kommen, doch die Antwort liegt nie weit weg.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon anders aus und durch den dichten Verkehr geht es in Richtung Rishikesh. Es dauert ewig, den Moloch Delhi hinter sich zu lassen, denn der Verkehr ist verrückt. Eine typische Straßenszene in Indien: etwa vier Spuren breit schiebt sich der Verkehr, aber nicht in Reih und Glied wie bei uns, sondern in einem scheinbar kompletten Chaos. Es laufen auf: LKW, Kleinbusse, Fahrradrikschas, Ochsenkarren, Motorroller, Motorrikschas, Fußgänger, Menschen, die schwer beladene Karren hinter sich herziehen und dazwischen immer wieder Kühe. Sie schieben sich in aller Seelenruhe durch das irre Treiben, scheinbar unbeeindruckt. Stoisch? Depressiv? Die Kuh, von der wir Westler alle zu wissen glauben, wie heilig sie den Indern ist, sie fristet ein erbärmliches Dasein in den Städten. Herrenlose Kühe laufen umher, ernähren sich vom Dreck, der ihnen hingeworfen wird, manchmal gibt es eine Banane von einem Passanten, gelegentlich heftige Schläge und Tritte von aggressiven Menschen.
Den indischen Schulbus möchte ich Euch nicht vorenthalten. So etwas habe ich bisher wirklich nur in Indien gesehen.
Haarschnitt gefällig? Hier entlang…
Ich fahre nicht mit dem Zug nach Rishikesh, sondern mit einem Fahrer. Meine Nerven sind noch nicht bereit für indische Züge und ich habe gut verhandelt. Am Abend komme ich in Rishikesh an. Der Weg zum Ashram führt über eine Fußgängerbrücke. Dankbar überlasse ich mein Gepäck einem der vielen Porter, die hier mit ihren Karren warten. Die „Fußgänger“-Brücke wird stark frequentiert. Es tummeln sich indische Passanten, Touristen, Affen, Kühe und hupende Rollerfahrer. Im Ashram angekommen genieße ich erst einmal den Blick auf das satte Grün der ersten Hügel des Himalaya.
Hier zum Abschluss aber noch ein paar Eindrücke aus Delhi. Rishikesh bekommt mindestens einen eigenen Artikel.