Von Jodhpur nach Jaisalmer fahre ich mit dem Bus, der immer voller wird. Der Herr hinter mir ist passionierter Betelkauer und rotzt in regelmäßigen Abständen seinen roten Schnodder aus dem Fenster und – weil er ziemlich unmotiviert zielt und den Fahrtwind nicht bedenkt – mir in den Nacken.
Als ich ihn höflich bitte, das doch zu unterlassen oder wenigstens beim Zielen die Gesetze der Physik zu beachten, tut er so, als würde er mich nicht verstehen. Ich bin ja nie gewillt, einem Konflikt auszuweichen, aber ich erteile mir selbst eine Lektion und sitze die 5,5 Std Fahrt ab.
Wer schon in Indien oder Südostasien gereist ist, kennt die Betelkauer. An der Straße sieht man immer wieder blutrote Flecken – Betel regt den Speichelfluß an, und so wird gerotzt, was das Zeug hält. Ganz schön gewinnend auch so ein blutrot verschmiertes lächelndes Gebiss. Nicht.
Mein Hotel liegt außerhalb der Mauern von Jaisalmer. Der Blick auf das Fort ist atemberaubend. Es ist brüllend heiß hier in der Wüste Thar, und ich versuche zu handeln, als die AC 250 Rupien extra kosten soll. Mit dem Motrorrad werde ich zu dem Nebengebäude gefahren, in dem sich mein Zimmer befindet. Die AC lehne ich dankend ab, aber natürlich macht der Hotelangestellte für 100 Rupien die Sicherung rein. Jetzt erst einmal duschen und Schweiß und Betelrotz runterspülen. Aber als ich in die Dusche hüpfen will, starre ich einer nicht allzu kleinen giftgrünen Echse in die Augen. Die hat aber auch keine Angst vor mir. Also beschließe ich auch keine zu haben und dusche unter Beobachtung.
Im Bus habe ich Katie kennengelernt, eine Engländerin, die sich in Jaisalmer ein paar Tage Auszeit von ihrer Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus in Kalkutta nimmt. Wir verbringen den Abend zusammen im Saffron, einem wunderschönen Restaurant mit köstlichem Essen und einem wirklich guten Gespräch. Ich liebe diese Zufallsbegegnungen unterwegs. Meist bleibe ich für mich, aber immer wieder treffe ich wirklich interessante, nette Menschen, mit denen ich gerne ein wenig Zeit verbringe.
Am nächsten Tag schaue ich mir in aller Ruhe Jaisalmer an. Das Fort von Jaisalmer ist beeindruckend und innerhalb der Mauern stehen wunderschöne Havelis- Die Farbe des Sandsteins in der Wüste – Jaisalmer ist ein Ort wie aus einer anderen Zeit. Es ist auch wirklich viel ruhiger hier, selbst das allgegenwärtige „Where are you from? England? Germany?“ schallt einem hier weniger entgegen.
Das Fort wurde 1156 gebaut und später immer wieder erweitert. Ungefähr 3.000 Menschen leben innerhalb der Mauern des Forts. Die Tour durch den Fort Palace lohnt sich. Es gibt viel zu sehen und Jaisalmer, die Mauern und die Wüste liegen hier oben in ihrer ganzen Pracht vor mir.
Für den Nachmittag habe ich einen Ausflug in die Wüste gebucht und freue mich, dass neben einer australischen Familie auch Katie in den Jeep steigt. Immer weiter geht es hinaus aus der Stadt. Wir besuchen kurz die Familie des Fahrers in einem kleinen Dorf und fahren dann weiter bis an den Rand der Sanddünen. Hier sollen wir auf Kamele umsteigen, aber weil mir die Tiere nicht geheuer sind, stapfe ich zu Fuß durch den Sand, was ganz schön anstrengend ist. Ich werde mit einem wunderschönen Sonnenuntergang entlohnt und meinem ersten Wüstenerlebnis. Es ist wirklich überwältigend schön. Man macht sich über mich lustig, also setze ich mich doch auf eines der auf Schritt und Tritt furzenden Kamele, nehme aber das erste – das haben die jetzt davon, immer den Gestank des Vorderkamels in der Nase. Nach dem Abendessen – Thali mit Katie – falle ich ins Bett. Mein kleiner grüner Mitbewohner ist auch noch da.
Am nächsten Morgen verbringe ich zwei Stunden in Josh’s German Bakery und warte, dass das Internet vielleicht mal kurz funktioniert, damit ich mir ein Zugticket nach Delhi buchen kann. Leider klappt das nicht, also muss ich mich zum Bahnhof fahren lassen. Nach einer gefühlten Ewigkeit halte ich mein Zugticket für die 18stündige Fahrt nach Delhi in der Hand. Katie hat mich gebrieft: Unbedingt Upper Berth nehmen, da kann man in Ruhe schlafen, während auf dem unteren Bett meist einige Menschen sitzen – war leider nicht frei – und bloß vermeiden, auf das Zugklo zu müssen. Sie war so überzeugend, dass ich ca. 24 Stunden vor der Fahrt schon nichts mehr esse und auch kaum noch trinke – eine super Idee in einer Wüstenstadt. Wie sich noch herausstellen soll, ist das völlig überflüssig, denn kurz vor Delhi besuche ich das Ko doch, weil mich der Durst überkommt und ich dem Chai Wallah erst einmal 3 Gläser Tee abkaufe. Als ich das Klo sehe, das sauberer ist als jedes einzelne in Zügen der Deutschen Bahn, muss ich lachen.
Am nächsten Morgen buche ich noch einen Flug Delhi – Varanasi und retour und kriege eine Fehlermeldung, nachdem ich meine Kredikartendaten eingebe. Mit fast leerem Akku telefoniere ich eine gefühlte Ewigkeit mit der Airline. Ich schimpfe wie ein Rohrspatz, weil ich immer weiter verbunden werde und sämtliche anwesenden Inder in Joshi’s German Bakery schauen mich an, als müsste man mich einweisen. Ich muss immer wieder anrufen, weil irgendwas geklärt werden muss und am Nachmittag stellt sich dann heraus, ich muss neu buchen. Beeindruckend ist, wie ein Telefonist nach dem anderen so gar keine Ahnung hat, aber völlig kompetent tut. Das hab ich so auch noch nie erlebt. Ich merke – was mir noch nie auf einer Reise passiert ist -, dass ich so randvoll mit Eindrücken bin, dass dieser Urlaub auch gut hier und jetzt enden könnte. Indien ist wunderbar, aber es treibt mich auch an meine Grenzen.
Am nächsten Morgen schaue ich mir zwei der sieben Jain Tempel Jaisalmers an. Die anderen fünf darf man als Tourist leider nicht betreten. Wieder bin ich beeindruckt von den Details. Die Tempel erinnern mich sehr an Ranakpur.
Abends geht es los in Richtung Delhi. Ich habe schon jetzt das Gefühl, zu viel Zeit dort eingeplant zu haben, ehe es nach Varanasi geht.
Wart Ihr auch schonmal in Indien? Was hat Euch besonders beeindruckt? Ich freue mich über Eure Kommentare.
Hier noch ein paar Eindrücke aus Jaisalmer: