In Ubud lerne ich Aji kennen. Er ist Künstler und betreibt seit Februar 2015 den Egoshop. Im Shop treffe ich auf das Egomonster, das mich ein kleines bisschen an Jabba the hutt erinnert.
Aji fertigt auch Skulpturen an und malt andere Dinge, aber seine Leidenschaft gilt dem Egomonster. Ich frage Aji, was es mit dem Monster auf sich hat. Aji sagt, dass alle Menschen ein Ego Monster haben, das sie nicht töten können, weil es ein Teil von ihnen ist, also sollten wir alle mit unserem Ego Monster spielen. Alles beginnt mit dem Ego: Krieg, Lüge, Gutes. Wir sollten uns um unsere Egomonster kümmern. Das wäre besser für uns alle.
Aji hat Kunst studiert, auf Java. Sein Vater, selbst Maler, hat ihm das ermöglicht. Elf Jahre lang war Aji auf der Nachbarinsel; der Kunstszene auf Bali gegenüber ist er kritisch. Zu uninspiriert, zu kommerziell, zu sehr am Tourismus orientiert.
Sein erstes Stück, die Zeichnung eines Tempels, verkaufte Aji, als er noch zur Schule ging. An einen Touristen. Der sah Aji zeichnen und bot ihm spontan 100 Dollar. Aji staunt noch heute, wenn er daran denkt, und seine Augen leuchten, wenn er davon erzählt, dass Menschen sich für seine Kunst interessieren.
Das Meer macht ihn traurig. Er fühlt sich hier leer und alleine. Jedes Mal. Aji mag die Berge. Hier findet er Inspiration und tankt Energie. Mit einem seiner drei Motorräder fährt er gerne über die Insel.
Ajis Ziel ist es, den Egoshop weiter auszubauen und im oberen Stockwerk ein Art Café zu eröffnen. Schon jetzt verkauft eine Freundin in seinem kleinen Egoshop verschiedene Kaffeesorten und auch ein kühles Bintang kann man sich hier schmecken lassen, aber es gibt bisher nur Platz für den schnellen Kaffee an der Theke.
Aji kümmert sich auch um die Galerie nebenan, in der die Bilder seines Vaters verkauft werden. Sein Vater ist der wichtigste Mensch für ihn. Er hat ihn immer bestärkt, sich der Kunst zu widmen, ihm das Studium ermöglicht; er ist Vater, Berater und Freund.
Ajis großer Traum? Auf der Biennale auszustellen. Einmal im Leben. Kunst ist der Sinn in Ajis Leben, seine große Passion.
Ich frage Aji, ob er – wie die meisten Balinesen – an Geister glaubt. Das tut er. Sein Vater wurde vor einiger Zeit schwer krank. Nichts schien zu helfen – er wäre fast gestorben. Aji sollte eine Zeremonie abhalten, um die Geister zu beruhigen, doch das ist teuer. Als das Geld da war, wurde die Zeremonie abgehalten und der Vater, der im Koma lag, wachte auf. Während ich mich mit Aji unterhalte, schaut sein Vater vorbei – er macht einen kerngesunden Eindruck.
Aji ist sehr kritisch, was Bali angeht. Er findet es schade, dass viele Balinesen mehr am Geld interessiert sind als an Bildung, Kunst oder dem Schutz ihrer wunderschönen Insel. Er wünscht sich mehr echte Künstler, die ihre eigenen Ideen kreativ umsetzen, statt immer wieder die gleichen Dinge für Touristen zu kopieren oder zu adaptieren. Weil ihm das sehr wichtig ist, unterstützt Aji angehende Künstler. Immer wieder versucht er, Ausstellungen zu organisieren, doch das ist schwer, denn die erste Frage, wenn er Teil eines Events auf Bali sein möchte, lautet immer: „Wird diese Kunst viel Geld bringen?“. Das ist frustrierend, doch Aji unterstützt eben im Rahmen seiner Möglichkeiten. Er lässt andere Künstler auch in seinem Egoshop verkaufen.
Mit befreundeten Künstlern hat er mehrere Jahre in Folge gemeinsam Skulpturen erschaffen, die am Meer ausgestellt werden, um dem Biorock Projekt mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen: Durch Dynamitfischen wurden in der Vergangenheit die Korallenriffe vor der balinesischen Küste und rund um die Gili Islands schwer beschädigt. Ich verlinke das Projekt einfach mal hier, statt es jetzt ausufernd vorzustellen, denn hier geht es ja um Aji.
Jeden Tag sterben auf Bali drei Menschen bei einem Verkehrsunfall. Aji ärgert sich über die Dummheit von Menschen, die Roller fahren und dabei telefonieren oder WhatsAppen. Im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern finde ich zwar, dass die Fahrweise auf Bali wunderbar zurückhaltend und gut ist, aber das sind tatsächlich auch die Momente, in denen ich kopfschüttelnd auf meiner Vespa sitze. Das krasseste, was ich in meinen Wochen auf der Insel sehe: Ein Vater auf einem Roller. Mit einer Hand am Lenker steuert er durch den Verkehr, während er sein gerade wenige Wochen altes Kind im anderen Arm hält. Dumm, in der Tat!
Aji wünscht sich mehr Bildung für seine Mitmenschen. Er findet, dass viele Balinesen zu faul sind, zu geleitet vom Gedanken, durch den Tourismus Geld zu verdienen – warum studieren? Es macht ihn wütend, dass viele Balinesen Touristen abzocken und von ihnen höhere Preise verlangen. “Vor zehn Jahren sahen Balinesen noch Freunde, wenn Touristen die Insel besuchten heute sehen sie nur noch Geld”, so Aji.
Auch Aji erzählt mir von Reisbauern, die ihre Felder für einen Appel und ein Ei verkaufen, um einen neuen Roller zu bezahlen. Die ausländischen Investoren reiben sich die Hände, wenn sie das nächste Luxusresort auf quasi geschenktem Grund und Boden errichten können.
Die Facebook Seite ‘Bali – how much is too much’, die Aji mir zeigt, postet jeden Tag neue Meldungen über bevorstehende Bauprojekte im Tropenparadies. Wie wird Bali in zehn Jahren aussehen? Was wird bleiben von der sattgrünen Schönheit dieser Insel? Und wovon werden die vielen Balinesen leben, die ihr Land verkauft haben und nun keine Ressourcen mehr haben? In armen Ländern ist Tourismus Segen und Untergang zugleich. Wir sollten informierter reisen, die Unterkunft nicht nur nach dem schönsten Pool und der besten Aussicht buchen. Ich weiß das und blende es doch auch oft aus. In einem Homestay unterzukommen – einem richtigen – kann ein Anfang sein.
Indonesien plant tatsächlich gerade ein Megaprojekt im Stil von ‚the Palm, Dubai’, direkt vor der Küste Balis, ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt. Seit zwei Jahren laufen die Proteste – erfolglos. Sogar ein Formel 1 Kurs ist geplant. Bali baut sich in den Untergang, während die Nachbarinseln brennen. Brennen, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Mensch, Natur und Orang-Utan werden dem Profit geopfert.
Seit Julia Roberts im Film ‚Eat, Pray, Love’ die Rolle der Elizabeth Gilbert übernahm, kommen immer mehr Touristen nach Ubud. Es ist schon auffällig, wie viele Frauen auf dem Selbstfindungstrip ich hier treffe und wie viele mit leuchtenden Augen erzählen, dass sie ihr Visum auf Umwegen immer und immer wieder verlängern. Seit Eat, Pray, Love entwickelt sich der Tourismus in Ubud viel schneller. Zu schnell, erzählt mir Aji.
Ich frage Aji, was er von der Green School hält, der grünsten Schule der Welt, die hier auf Bali Nachhaltigkeit zu leben und zu unterrichten versucht. Mich hatte bei meinem Besuch irritiert, dass die angestrebte Quote von 20 Prozent indonesischer Schüler, die ich schon für wirklich niedrig hielt, nicht einmal annähernd erreicht wird. Acht Prozent sind es 2015. Aji mag die Green School nicht. Er wollte sie einmal anschauen und auch als Balinese sollte er 120.000 Rupien (ca. 8 Euro) zahlen und eine Führung machen. Bildung sollte offen für alle sein, da sind wir uns einig. Die Green School tut einiges, um sich auf der Insel zu engagieren, aber Aji wünscht sich offenen Unterricht für mehr Indonesier. Ich auch!
Aji hat zwei Schwestern, beide haben ebenfalls studiert. Eine Schwester hat Architektur studiert und nimmt jetzt Bauabnahmen für die Regierung vor, Ajis zweite Schwester ist studierte Informatikerin und hat nun einen kleinen Shop, der an den Egoshop und die Galerie des Vaters angrenzt. Hier verkauft sie Schals, Tischdecken und andere Textilien. Aji weiß sehr zu schätzen, dass der Vater allen drei Kindern eine hochwertige Ausbildung ermöglicht hat.
Ich weiß zu schätzen, dass Aji sich so viel Zeit für mich nimmt, dass ich ihn kennenlernen darf und dass ich ihn Euch vorstellen darf.
Ich habe mir vor meiner Reise vorgenommen, in jedem Land mindestens einen Menschen zu portraitieren, was viel Arbeit und gar nicht so einfach ist. Ich warte noch auf zwei Freigaben aus Indien und hoffe, dass ich Euch dann bald zwei weitere wunderbare Menschen vorstellen kann.
Ich würde mich sehr über Feedback zu diesem Artikel freuen: Wie gefällt Euch Ajis Geschichte? Was möchtet Ihr von Menschen in fernen Ländern wissen? Immer her damit!
Liebe Grüße – inzwischen aus Perth -, Nina
Ein wirklich ausgezeichneter Artikel…
Mir gefällt seine Geschichte sehr und sein Charakter zeigt, dass er diese alte kulturelle Situation seiner Heimat wirklich vermisst. Ich wünsche ihm trotzdem viel Glück und Erfolg!
Ich freue mich schon echt auf deinen nächste Geschichte. 🙂
-Rosmery <3
Danke, Rosmery – Dein Feedback freut mich sehr. Ich hoffe, dass ich bald meine Portraits aus Indien veröffentlichen kann. Deine Wünsche richte ich Aji aus. Liebe Grüße aus Australien, Nina
Oh je, ich habe gerade erfahren das du auch aus Norden (Hamburg) kommst. Wie lange bist du schon unterwegs?
Dein Blog ist ganz schon aufregend und macht mir viel Spass zu lessen!
LG aus dem kaltem Deutschland <3
Bin Mitte September los und hab noch bis Mitte März. Danke 🙂
Toller Beitrag! Es ist echt traurig wie der Massentourismus ganze Orte zerstört, nicht nur Bali.
Liebe Grüße
Santosha
Danke, Santosha. Ja, Tourismus in Kombination mit Armut vor Ort hat oft destruktive Ausprägungen..