Nach sieben Stunden Fahrt komme ich in Rishikesh an. Es dauert lange, den Moloch Delhi hinter sich zu lassen. Der Verkehr ist unfassbar dicht. Der Ashram Parmarth Niketan liegt am Ostufer des Ganges, der Weg führt über eine Fußgängerbrücke. Zusammen mit einem Porter und seinem Karren mache ich mich auf den Weg. Auf der Brücke: Menschen, Kühe, Affen, Motorroller, Hunde und Handkarren. Die allgegenwärtige Hupe schiebt jeden Fußgänger zur Seite – es gilt das Recht des Stärkeren. Inder lassen sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen, also Kopf zu und ‚go with the flow’.
Über einen Weg mit Kiosken, Streetfood Ständen, Cafés, Restaurants und Bücherläden geht es den Fluss hinunter. Mopeds, Kühe, Menschen, das gewohnte Bild – nur weniger dicht als in den großen Städten. In Indien ist man als Westler immer aufmerksam. Ist man es nicht, latscht man mit ziemlicher Sicherheit in einen Kuhfladen, wird noch intensiver angehupt, man stolpert über einen der Straßenhunde oder eine Kuh tritt einem auf den Fuß. Alles schon gesehen. Also, solltet Ihr mal nach Indien kommen: Augen auf! Nach ein paar Tagen hat man sich daran gewöhnt und ist – bis auf gelegentliche Zwischentiefs – entspannt dabei.
Nach wenigen paar Minuten erreichen wir den Ashram. Ich gehe durch das Tor und schaue auf eine wunderschöne Anlage mit einem tollen Bogen, einer Shiva Statue, dahinter sind die sattgrünen Ausläufer des Himalaya zu sehen. Das ist es, was ich gesucht habe. Ruhe und Schönheit mitten im wuseligen Indien.
Beim Checkin wird schnell klar, dass auf Guidebooks wenig Verlass ist, wenn es um den indischen Subkontinent geht. Die Nacht in einem AC Zimmer – den Luxus gönne ich mir – kostet 1.300 Rupien, das sind ca. 18 Euro, und ist wesentlich mehr als angegeben. Die Mahlzeiten sind auch nicht inkludiert wie angekündigt, das gilt nur für die Wochen Yoga Kurse, die es zum Festpreis inklusive Unterkunft und Verpflegung gibt. Da ein Thali in der Kantine aber für 60 Rupien, also weniger als einen Euro zu haben ist, ist das nicht weiter schlimm. Die ersten Zweifel kommen trotzdem auf: Der Ashram scheint sehr kommerziell: der höhere Preis, das nicht inkludierte Essen, auf den ersten Blick viele Westler.
Ich beziehe mein Zimmer und bin hin und her gerissen zwischen Begeisterung und Frust. Ich bin im Ganga Block untergebracht. Hier liegen unter anderem die AC Zimmer mit direktem Blick auf den Ganges. Ich muss an meine Wohnung in Köln Mühlheim denken, den Rhein vor der Nase. An Hamburg Övelgönne, wo ich nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, mit einem Glas Wein auf der Fensterbank saß und den Verladegeräuschen des Hafens lauschte. Gute Erinnerungen beides. Die Kehrseite: Fette Schimmelflecken zieren die Wand und mein Hirn meldet Alarm. Asthma, indisches Klima und dann auch noch Schimmel? Das kann heiter werden. Das Badezimmer ist erstaunlich sauber für indische Verhältnisse, da kann ich mit leben. Ich erspare mir und Euch das Bild des verschimmelten Zimmers. Ein paar unruhige Nächte und eine Bronchitis später kann ich in ein schimmelfreies Zimmer umziehen. Das seht Ihr hier:
Die Sachen schnell abgeworfen gehe ich zum Ganga Aarti, der Sonnenuntergangszeremonie. Auf dem Weg wieder Affen, die sich auch sehr gerne im Ashram sehen lassen.
Ganga Aaarti: In ihren orangen Gewändern sitzen die Schüler des Ashram hier, es wird gesungen und am Ende werden Kerzen durch die Menge gereicht – die anwesenden indischen Touristen verhalten sich fast aggressiv, um einen der Kerzenhalter in den Händen zu halten oder zumindest zu berühren. Die vielen Kameras und Smartphones, die alles festzuhalten suchen, stören, aber natürlich mache auch ich Bilder, lege die Kamera dann aber beiseite, um die Eindrücke ungefiltert aufzunehmen.
Der Gesang ist sehr schön und berührend, auch wenn ich die Worte nicht verstehe. Ein Blick in die vielen Gesichter der Schüler zeigt, wie viel Hingabe hier im Spiel ist. Nach der Zeremonie gehe ich ohne Essen ins Bett und bin gespannt auf die Erfahrungen, die ich hier machen werde. Ich erfahre, dass der Swamiji – der Vorsitzende des Ashrams, die nächsten Tage anwesend sein und an der Zeremonie teilnehmen wird. Ist er anwesend, gibt es im Anschluss an die Zeremonie ein Satsang. Hier sitzt man zusammen und jeder kann dem Swamiji eine Frage stellen. Ich bin gespannt auf diesen Menschen. Ich mag Personenkult nicht, aber ich werde mich überraschen lassen. Dem Swamiji und der Ganga Aaarti werde ich einen eigenen Artikel widmen.
Am nächsten Morgen nehme ich um 6.30 Uhr an meiner allerersten Yoga Stunde teil. Dazu später mehr.