Nun ist es so weit. Mehr als ein Jahr habe ich gewartet auf diesen Moment. Pläne geschmiedet, Reiseführer gewälzt, Pinnwände auf Pinterest und Reiseblogs durchstöbert. Ich habe mir die halbe Welt als Reiseführer nach Hause geschleppt.
So viele Möglichkeiten – so eine Freiheit.
Ursprünglich dachte ich an langsames Reisen mit drei, vier Stationen, jeweils verbunden mit einem Lernziel. Entschleunigen – das Duracell Häschen in mir schnaubte beim Gedanken verächtlich – in Indien, endlich spanisch lernen in Südamerika und vielleicht irgendwo in Australien an einem Projekt mitarbeiten. Gerade weil ich im Alltag meist auf 10.000 Umdrehungen laufe, wollte ich meine Komfortzone verlassen und sehen, was passiert, wenn ich mir mal Zeit nehme.
Je mehr ich über mein halbes Jahr Auszeit nachdachte, desto mehr hatte ich dann doch das Gefühl, ganz viel von der Welt sehen zu müssen. Wer weiß, vielleicht ist so eine lange Zeit der Freiheit ja doch eine einmalige Chance? Das Duracell Häschen gewann die Oberhand und so schaute ich mir dabei zu, wie ich Flug um Flug buchte, einen Reiseführer nach dem anderen nach Hause schleppte.
Parallel arbeitete ich viel, übersetzte nebenbei ein Buch für eine Freundin aus Australien, beschäftige mich damit, mich nebenberuflich selbstständig zu machen, verarbeitete eine Trennung und, und und..
Im April lag ich dann plötzlich mit einem schweren Asthmaanfall im Krankenhaus. Es ging mir richtig mies und nachdem ich entlassen wurde, hatte ich plötzlich ein blödes Gefühl beim Gedanken an die Reise. Was, wenn mich so ein Asthmaanfall in Kambodscha treffen würde? Vor einigen Jahren hatte ich im dicksten Smog in Indien zum ersten (und einzigen) Mal so etwas wie eine Panikattacke gehabt. Der Gedanke, hier mit einem Asthmaanfall zu sitzen und im irren Verkehr nicht schnell genug ins Krankenhaus zu kommen, führte damals zu einer ganz anderen Form der Kurzatmigkeit. Ich lenkte mich mit einem langen Telefonat ab, weil mir klar war, dass die Angst nicht gewinnen durfte.
Je weiter sich der April entfernte, desto mehr geriet der Asthmaanfall in Vergessenheit. Aber etwas stimmte nicht. Ich merkte bei der Arbeit, dass meine gewohnt hohe Schlagzahl mich anders forderte, aber ich ignorierte es. Dann kam der Juni und nach einem Meeting saß ich im Büro am PC und konnte plötzlich nicht mehr richtig sehen. Es folgte eine Woche im Krankenhaus. Mit einem Zimmer auf der Stroke Unit, schlechter Kommunikation seitens der Ärzte, denen ich die Ausschlussdiagnosen fast unter Androhung von Gewalt entlocken musste und fast einer Woche des Wartens auf MRT und Lumbalpunktion begann ich mich verrückt zu machen.
Ich wurde ohne richtige Diagnose (Verdacht auf migraine sans migraine) entlassen und da saß ich nun zuhause und die Angst schlug zu. Ich stellte meine Reise in Frage und es folgten einige Panikattacken, die ich glücklicherweise als solche erkannte. Ich stellte mich der Angst jedes Mal, aber es war hart. Ich holte mir professionelle Unterstützung für ein paar Sitzungen. Ich bin ein tougher Mensch, habe viel Mist erlebt und Angst hatte ich nie dabei gehabt. Was war da plötzlich los? Ok, eine sieben Jahre lange Beziehung war in die Brüche gegangen, eine gute Freundin hatte sich umgebracht und die 40 stand auf der Matte, aber ich war doch nie in die Knie gegangen.
Nach wenigen Wochen hatte ich wieder alles im Griff. Das Duracell Häschen raste los: Arbeiten, Flüchtlinge unterstützen und vieles mehr ließen die Zeit vorbeirasen. Anders als sonst gönnte ich mir aber zumindest manchmal eine Pause.
Warum erzähle ich das hier alles? Gute Frage – ich möchte meinen Blog authentisch betreiben und dazu gehört für mich Offenheit. Ihr wisst nun, dass meine Reise nicht nur ein Urlaub ist, sondern eine wirkliche Reise, die ich schon mit der Planung angetreten habe.
Der Abschied von Hamburg war schön. Britta, die mich während meiner Auszeit im Social Media Team der TK vertritt, hat mir einen Gott und Bratkartoffeln Kuchen gebacken, von meinem Team wurde ich mit lieben Wünschen und super Reisegeschenken ausgestattet, wir hatten ein schönes Abschiedsfrühstück und mit einem sehr netten Kölner gab’s ein Abschiedsbierchen, ehe ich mit meinen Freundinnen Anna und Eva zum Flughafen fuhr.
Ich schreibe diese Zeilen in Dubai, hier ist der erste Stopp meiner Reise. Ich bin in mein halbes Jahr Freiheit gestartet, gestern kam ich hier an. Ich freue mich auf das, was vor mir liegt, aber ich habe auch Respekt davor. Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mich auf meiner Reise um die Welt und ein Stück mehr zu mir selbst begleitet.
Grüße aus Dubai, Nina
Meine vorläufige Reiseroute: Dubai, Indien, Thailand, Kambodscha, Vietnam, Australien, Indonesien, Singapur, Malaysia, Japan, Südkorea, China…. Alles kann, nichts muss.