Was fällt Euch ein, wenn Ihr an Sydney denkt? Wahrscheinlich recht bald das Opernhaus und die Sydney Harbour Bridge, zwei Bauwerke, die die Stadt prägen und in der ganzen Welt bekannt sind. Die Harbour Bridge ist eine von vier Brücken weltweit, die zum Bridge Climb einladen.
Schon vor zehn Jahren wollte ich gerne auf die Brücke klettern, aber das war nicht in meinem Studentenbudget vorgesehen. Für diese Australienreise stand der Climb sehr weit oben auf meiner Bucket List und so buche ich ihn auch sehr früh, um sicherzugehen. Ich will an Neujahr auf die Brücke, als Symbol für den Beginn eines angstfreien Jahres, nachdem ich im letzten Jahr nach einer sehr langen stressigen Zeit plötzlich Panikattacken bekam. Zwar ist der 1. Januar ausgebucht, aber bei Euch in Deutschland ist noch Neujahr, also beschließe ich, dass das zählt.
Um 3.30 Uhr komme ich im Stockdunkeln an der Brücke an – ich bin überhaupt nicht aufgeregt, obwohl ich seit einer Kletteraktion in der Schweiz, die beinahe in die Hose ging, ein wenig Höhenangst habe. Mit Vor- Und Nachbereitung dauert der Brückenspaziergang 3,5 Stunden – wer wenig Zeit hat, kann einen Express Climb (2,5 Stunden) buchen.
Pünktlich um 4.05 Uhr wird unsere Gruppe aufgerufen. Wir füllen alle ein Formular aus, das Auskunft über unseren Gesundheitszustand gibt, dann kommt der Alkoholtest. Wer alkoholisiert ist, fliegt – in unserer Gruppe ist nach Neujahr jeder nüchtern.
Weiter geht es in den nächsten Raum, wir gehen zur Übung schonmal über einen Stahlgang mit Sicht nach unten. Jetzt gibt es für jeden einen der schicken Strampelanzüge, in denen wir den anstehenden Climb bestreiten sollen. Es wird kontrolliert, dass niemand mehr etwas in den Taschen hat, auch Armbanduhren und Ohrringe müssen abgelegt werden, Kaugummis müssen raus – unter uns wird eine fünfspurige Straße liegen und die Brücke ist 134 Meter hoch (über dem Wasser, aber auch noch hoch genug über der Straße für einen fiesen Aufprall).
Im nächsten Raum gibt es einen Klettergurt. Danach müssen alle zur Übung eine Stahlleiter erklimmen, und auf der anderen Seite wieder hinunter – dann haben wir alle das System verstanden, in dem wir eingehakt sind und unser Guide Kate hat einen Eindruck davon, auf wen sie achten muss. Ich spreche an, dass ich evtl. ein bisschen Schiss haben werde und verdiene mir dadurch Position eins in unserer Gruppe, “because it’s easier for us to get you off the bridge if anything happens.”
Jetzt werden wir noch mit Funk und einer Stirnlampe ausgestattet und los geht’s. Das schwierigste Stück liegt am Anfang, denn hier kann man unter den Füßen auf den Boden sehen und es gilt Stahlleitern mit 98 Stufen zu überwinden. Die Dunkelheit kommt uns zugute, wir gehen hinter Kate her, die uns interessante Dinge über ein Waffendepot in einem vermeintlichen Hügel erzählt, das erst vor zehn Jahren entdeckt wurde.
Etwas außer Puste, aber zügig erreichen wir den Brückenbogen. Von hier an geht es in mehreren Etappen die Brücke hinauf. Langsam weicht das Dunkel und der Sonnenaufgang steht bevor. Als wir den Bogen zur Hälfte erklommen haben, werden wir mit einem wunderschönen Sonnenaufgang belohnt – der Himmel ist pink.
Mit einigen Fotostopps geht es über den Stahlbogen bis hinauf an den höchsten Punkt, an dem die australische Fahne und die von New South Wales wehen – on top of the world! Ich kann den Ausblick immer mal wieder ganz alleine genießen, da ich durch die Fotostopps immer einen Vorsprung vor dem Rest der Gruppe habe.
Es ist atemberaubend schön, Sydney da so unter sich liegen zu sehen. So früh am Tag ist noch nicht viel los. Gerade einmal drei kleine Schiffe zähle ich im Sydney Harbour, der genau genommen Port Jackson heißt.
Es wird nicht gehetzt, jeder kann in seinem Tempo gehen und rückblickend bin ich der Meinung, dass wirklich jeder den Harbour Bridge Climb bewältigen kann.
Kate hat es raus, uns mit interessanten Infos und Humor bei Laune zu halten und die ganze Gruppe fühlt sich wohl. Jetzt kommt der Moment, vor dem ich im Vorfeld den größten Respekt hatte – wir überqueren über einen etwas schmaleren Stahlpfad die Brücke quer, um auf den anderen Brückenbogen zu gelangen, auf dem es dann wieder mit einigen Stopps hinunter geht. Aber auch dieser Teil ist wirklich easy.
Ich bin total happy, dass ich den Climb gemacht habe und auch, dass es zum Sonnenaufgang war. Es ist schön zu sehen, wie die Stadt langsam zum Leben erwacht. Im Gegensatz zu New York ist Sydney nämlich eine Stadt, die schläft.
Nach dem Climb spaziere ich durch das Stadtviertel The Rocks, ans Opernhaus. Ich bin ganz alleine. Lediglich ein paar Seemöwen sind da und im Hintergrund eröffnen ein paar Mitarbeiter die umliegenden Cafés.
Was für ein gelungener Start in den Tag und in das Jahr. Auch wenn der Bridge Climb wirklich sehr teuer ist – er ist ein einmaliges Erlebnis und ich würde ihn jederzeit wieder machen.
Liebe Grüße aus Sydney, Nina