Klaus Becker hat einen Traumberuf. Als Fotoreporter hat er die meisten Länder der Welt bereist. Im Interview verrät er, was er an seinem Beruf am meisten liebt, wie er mit bewegenden Momenten umgeht und wie die Arbeit als Fotograf in Krisengebieten funktioniert.
Du warst schon in 138 Ländern. Gibt es ein Land, in dem Du noch nicht warst und das noch “auf der Liste” steht?
Obwohl ich schon tausende Kilometer entfernte Länder besucht habe, fehlt mir noch eins, das sehr nah an Deutschland dran ist…Island wäre in jedem Fall eine Reise wert. Es ist der zweitgrößte Inselstaat Europas und muss landschaftlich ein großer Traum sein…
Drehen wir die Frage nach dem Lieblingsland mal um: Gibt es ein Land, zu dem Du gar keine Verbindung hattest? Woran lag das?
Ja – auch das gibt es…Indien ist so gar nicht meins! Gerade habe ich den Film “Lion” gesehen, der ja viele Plätze in Indien zeigt. Viel zu viele Menschen auf engstem Raum, ab drei Uhr nachmittags herrscht überall Smog und alles ist dunkel. Für mich auf jeden Fall kein Land, um dort Urlaub zu machen.
Gibt es einen Moment auf Deinen Reisen, der Dich am meisten bewegt hat?
Der Blick durch die Kameralinse ist immer auch eine Art “Schutz-Brille”. Ein Puffer für die Seele. In den schlimmsten Hungergebieten der Welt – etwa im Sudan, in Somalia und Äthiopien – habe ich unendlich viel Leid gesehen. Menschen, die sich zum Sterben hinsetzen oder -legen. Kinder, auch wenn sie schon krank vor Hunger waren, sind mir trotzdem immer offen und voller Neugier begegnet. Lachend haben sie sich mir und meiner Kamera gestellt. Das sind Momente und Begegnungen, die vergisst man so schnell nicht.
Was hast Du durch Deinen Beruf gelernt?
Menschen richtig einzuschätzen, sie zu nehmen wissen – das ist bestimmt etwas, das ich auf meinen Reisen gelernt habe. Vor allem in Krisengebieten ist es außerdem unerlässlich, dass man unaufgeregt und ruhig an Geschichten herangeht. Mir die Situation wirklich “von außen anzuschauen”, gelingt durch die Kamera dann obendrein ganz gut.
Du warst auch in Krisengebieten unterwegs. Warum hast Du Dich dafür entschieden?
Somalia,Angola, Serbien und Mosambik sind nur einige der Krisengebiete, die ich besucht habe. Mit meinen Fotos aus diesen Regionen wollte ich in Europa zeigen, wie sich die Realität in solchen Ländern darstellt. damals – also in den 80er-Jahren bewegten sich noch nicht so viele Pressefotografen in diese Länder.
Wie muss man sich einen Fotografen-Einsatz in einem Krisengebiet vorstellen?
Einen Einsatz im Krisengebiet kann man nur überleben, wenn man sich vor Ort auf eine Infrastruktur – wie etwa das Netz einer Hilfsorganisation – verlassen kann. Diese Menschen kennen die Verhältnisse im Land und wissen genau, wie man sich in heiklen Situationen richtig verhält. Als ich im Drei-Ländereck Irak-Syrien-Türkei eine Geschichte zur Christenverfolgung gemacht habe, hat uns der Guide sehr deutliche Grenzen gesetzt. Ein Dorf, das sozusagen in Reichweite war, sollte ich nicht fotografieren. Bis dahin könne er mich nicht absichern – erklärte der Guide mir damals. Solches Insiderwissen muss man wirklich ernst nehmen und sich akribisch daran halten.
Gab es bei der Arbeit in einem Krisengebiet einen Moment, in dem Du aussteigen wolltest?
Ja -auch den Moment gab es. 1995 hat in Sarajevo ein Scharfschütze mehrfach auf mich geschossen. Und ich habe nicht mal realisiert, dass jemand auf mich schießt. Die Kugeln gingen etwa einen Meter von mir entfernt in den Boden – bis mich Leute weggerissen haben aus der Schusslinie. Immerhin 1.000 D-Mark Kopfgeld waren damals auf Journalisten ausgesetzt…
Was bringst Du von Deinen Reisen mit?
Erinnerungen an wunderbare Begegnungen sind eigentlich das tollste Mitbringsel. Historische Stätten gesehen zu haben, die heute womöglich schon nicht mehr existieren, ist auch ein Riesengeschenk für mich! Die Erlebnisse mit Menschen der unterschiedlichsten Kulturen sind mir so präsent, als wäre es gestern gewesen. So ist mir das Zusammentreffen mit Pygmäen in Zentralafrika noch genauso lebendig im Kopf wie der Fototermin mit Mongolen und die Begegnung mit Menschen auf Samoa.
Was liebst Du an Deiner Arbeit am meisten?
Die enorme Vielfalt, mit der ich zu tun habe, macht meinen Beruf aus. Und: An die ungewöhnlichsten und weit entferntesten Orte zu kommen, an denen die meisten Menschen noch nicht waren…
Mit Deinem Engagement für die Sternenkinder begleitest Du Eltern beim Abschied nehmen und schaffst gleichzeitig eine bleibende Erinnerung für sie. Erzähl mal!
Als Sternenkind-Fotograf fotografiere ich ehrenamtlich in Krankenhäusern. Für Eltern, die ihr Kind verlieren, ehe es überhaupt leben durfte. Die Fotos, die ich von diesen sogenannten “Sternenkindern” mache, helfen bei der Trauerarbeit und sind eine bleibende Erinnerung. Sehr bewegend und anrührend ist für mich die positive Resonanz, die ich bislang für diese Arbeit bekommen habe. Das ist für mich jeden Aufwand wert!
Durch soziale Medien und Apps, die auch Hobbyfotografen in die Lage versetzen, Fotos zu bearbeiten, gibt es immer schneller, immer mehr hochwertige Fotos. Hat das Auswirkungen auf Deinen Beruf?
Das hat auf jeden Fall Auswirkungen. Wenn man sich anschaut, welche Bilderflut von jedermann produziert wird und wie schnell sich Bilder ganz einfach bearbeiten lassen, kann man durchaus das Berufsbild “Fotograf” in Frage stellen.
Dein Tipp für junge Menschen: Macht es Sinn, eine Karriere als reisender Fotograf anzustreben und was sollte man dafür mitbringen?
Es macht unbedingt Sinn zu reisen und auch: besondere Eindrücke in Bildern festzuhalten. Aber davon zu leben, ist heute eigentlich kaum mehr möglich. Die Budgets der Zeitschriften sind begrenzt, als freier Fotograf wird man da schon so manches Mal in die Knie gezwungen.. Manchmal geht es mir auch gar nicht ums Geld verdienen, sondern darum, eine gute Idee zu unterstützen. In Afrika beispielsweise (meinem Lieblingskontinent übrigens), gibt es so viele tolle Projekte, die ich dann eben ehrenamtlich mit meiner Kamera begleite.
Du gibst auch Fotokurse. Was bietest Du an und wie kann man Dich buchen?
Die vollautomatischen Kameras verführen (leider) dazu, nichts mehr selbst und von Hand einzustellen. Dabei ist die manuelle Fotografie ebenso verlässlich – und weit besser regulierbar! Mein Credo lautet daher: Weg von der Automatik. In meinen Kursen gehen wird erst gemeinsam auf Objekt-Suche, stellen zusammen die Kamera richtig ein und bearbeiten anschließend auch noch im Team. Anfragen zu Kursen gern über meine Homepage.