Mit dem Flieger geht es von Mumbai nach Udaipur. Auf der Fahrt zum Flughafen ist es schön zu sehen, wie Mumbai erwacht. Mein Fahrer stoppt erstmal und lädt mich auf einen Chai ein. Er erzählt mir auch noch mehr über das Durga Puja Festival. Neun Tage dauert es, sagt er, und viele Hindus fasten während dieser Zeit und tragen keine Schuhe. Nach den neun Tagen fahren viele etwa 200 Kilometer zu einem Tempel. Welcher das ist, verstehe ich nicht.
Mein Fahrer ist sehr verwundert darüber, dass ich keine Slum Tour gemacht habe. Seit dem Erfolg von ‚Slumdog Millionaire‘ machen immer mehr Touris eine Tour durch die Slums. Ich war hin und her gerissen, ob ich eine solche Tour mache. Durch den Slum fahren und arme Menschen anglotzen wie Tiere im Zoo, der Gedanke schreckte mich ab. Andererseits kommt das Geld für die Touren – zumindest bei den meisten Anbietern – direkt den Bewohnern zugute. Naja, vielleicht beim nächsten Indien Urlaub.
Ich fliege für 29 Euro mit Kingfisher und – was mir noch nie passiert ist – bekomme ein Upgrade in die 1. Klasse, wo ich mit Essen und Getränken abgefüllt und betüddelt werde. Essen ist furchtbar wichtig für viele wohlhabende Inder. Gut genährt zu sein ist ein Zeichen von Wohlstand. Das ändert sich zwar – immer mehr Menschen legen Wert auf Fitness und ausgewogene Ernährung -, ist aber noch sehr deutlich zu sehen. Und so wird man auch auf jedem noch so kurzen Flug mit Essen überhäuft.
In Udaipur angekommen geht es gleich ins Anjani Hotel. Rajasthan ist bunt, das ist schon auf der Fahrt vom Flughafen zu sehen. Überall sehe ich Frauen in wunderschönen bunten Saris. Mein Einstieg in Udaipur gefällt mir dann aber erst einmal nicht. Ich hatte erwartet, dass es viel ruhiger ist, aber durch die engen, quirligen Gassen der Altstadt quetschen sich Unmengen von Motorrädern, Rollern, Tuktuks und Autos. Dazwischen stoisch gelassene Kühe und Hunde. Es ist ein einziges Gehupe und die Luft ist total verpestet. Gott sei dank ist das nur der erste Eindruck. Udaipur wird einer der schönsten Orte auf meiner Route sein.
Mein Hotelzimmer ist wunderschön und entschädigt für den ersten Eindruck. Ich komme mir vor wie in 1001 Nacht. Ein Himmelbett, schwarzweiß gefliester Boden, ein Diwan und aus den bunt verglasten Fenstern kann ich auf Stadt und See blicken. Ich stürze mich gleich ins Getümmel, es ist sehr viel wärmer als in Mumbai hier. Ich laufe zum Pichola See, wo ich für 300 Rupien eine Bootstour machen möchte. In der brüllenden Hitze warte ich 45 Minuten auf das Boot und verfluche mich jede Minute dafür, kein Wasser mitgenommen zu haben. Bei einem Engländer schnorre ich mir schließlich eine halbe Flasche Wasser und im Austausch erzählt er mir von seiner Midlife Crisis, die ihn für ein Jahr um die Welt treibt, Start: Indien. Es gibt schlechtere Wege im Umgang mit der Midlife Crisis.
Vorbei an den Ghats, wo Kinder baden und schwimmen, Frauen die Wäsche waschen und mittendrin wieder ein paar Kühe stehen, geht es Richtung Lake Palace und dann zur dahinter liegenden Insel Jagmandir. Eine kleine Oase der Ruhe mit Frangipanibäumen und Streifenhörnchen und einem Palast aus dem 17. Jahrhundert.
Udaipur zieht seinen ganzen Charme und seine Schönheit aus dem – nach dem Monsoon – prall gefüllten See, den Hügeln ringsum und den wunderschönen Havelis.
Das Lake Palace Hotel kommt mir bekannt vor und ich habe mich nicht geirrt. Es ist Schauplatz vom James Bond Film Octopussy. Wie stolz man in Udaipur darauf ist, wird mir später klar. In fast jedem Restaurant wird an fast jedem Tag mehrfach der Film gezeigt. Etwas skurril, aber natürlich schaue ich mir den Film an einem Abend an.
In Udaipur genehmige ich mir auch die erste von vielen Aryuveda Massagen – das warme Öl duftet wunderbar und nach der Massage fühle ich mich wie neu geboren und hundemüde zugleich. Die Masseurin ist neugierig und möchte wissen, wie viele Bedienstete ich in Deutschland habe. Es erstaunt sie, dass ich nicht einmal eine Reinigungskraft beschäftige. Ich frage sie im Austausch zu ihrem Leben in Indien und erfahre, dass sie mit einem Mann verheiratet wurde, den ihre Eltern ihr eine Woche vor der Hochzeit vorstellten. Sie hat zwei Kinder und liebt ihren Mann inzwischen. Ihre Eltern haben sehr auf gemeinsame Interessen geachtet, sagt sie, und dass man sich aneinander gewöhnt. Unsere Art Beziehungen einzugehen sei zwar frei, aber wenn die Verliebtheit verpufft, dann bleibt nichts, findet sie und ein wenig muss ich nicken. Bollywood Filme, die voller Kitsch und Romantik sind, findet sie trotzdem toll.
Am nächsten Morgen gönne ich mir Banana Pancakes auf der Dachterrasse. Danach geht es auf einen der umliegenden Hügel zum Sajjan Garh, dem Monsunpalast. Die Aussicht von hier oben ist atemberaubend schön und ich genieße die Ruhe. Der Blick wandert über die Stadt, die umliegenden Hügel, den See. Udaipur ist wirklich traumhaft.
Auf dem Rückweg sehe ich meinen ersten indischen Elefanten.
Nachmittags nehme ich mir eine Motorrikscha und fahre zuerst nach Ahar, 2 Kilometer außerhalb der Stadt. Die Totengedenkstätte besteht aus etwa 250 Kenotaphen. Hier bin ich der einzige Mensch weit und breit, mein muslimischer Rikschafahrer, mit dem ich mich blendend verstehe, schläft erst einmal eine Runde. Vorher verrät er mir noch, wo man Fleisch von der Kuh essen kann – „super Shawerma!“
Weiter geht es auf den Markt von Udaipur. Dort ist es unglaublich wuselig, schön und bunt – so habe ich mir Indien immer vorgestellt. Ich mache viele Fotos und bin total begeistert.
Am Ende des Tages falle ich kaputt in mein Bett. Am nächsten Tag sitze ich am See in einem der kleinen Restaurants und schreibe. Die Frauen in ihren bunten Saris waschen Wäsche, badende Kinder toben herum. Frauen waschen sich und die Kinder im See.
Es ist ganz interessant, wie unterschiedlich die Menschen hier reagieren, wenn ich zeige, dass ich sie gerne fotografieren möchte: Manche winken ab oder bedecken ihren Kopf, andere freuen sich, wieder andere möchten unbedingt fotografiert werden. Dafür wollen sie kein Geld wie man das in anderen Ländern erlebt, sie freuen sich immer sehr, wenn ich ihnen ihr Bild auf dem Display zeige und es ihnen gefällt.
In Mumbai hatten mich zwei deutsche Mädels angesprochen, die ich in Udaipur wiedertreffe. Wir vereinbaren, einen Fahrer anzuheuern, da wir alle nach Jodhpur weiter wollen. Ich wäre mit dem Bus gefahren, kann die Mädels aber überzeugen, einen Stop bei der Festung in Kumbhalghar und beim größten Jain Tempel Indiens in Ranaikpur einzulegen, so dass sich die höheren Kosten dann doch wieder lohnen und ich mich nicht ganz so dekadent fühle.
In Udaipur esse ich übrigens auch das beste Thali meiner Reise. Die Natraj Lodge ist in ganz Rajasthan für ihre Thalis bekannt. Anke und Sushi (die beiden deutschen Mädels) kommen mit und wir sind die einzigen Toursiten. Für umgerechnet 1,15 Euro bekommen wir so viel zu essen, wie wir wollen, es ist ein Erlebnis. Es ist rappelvoll, das Essen wird auf einem silbernen Tablett serviert. Die Kellner wirbeln vorbei und schöpfen Saucen in die kleinen Schälchen und im Vorbeieilen schaufeln sie mit viel Geklecker alle möglichen Köstlichkeiten auf unsere Tabletts u in unsere Schälchen. Der Tisch gleicht hinterher einem Schlachtfeld, aber es ist unglaublich lecker.
Hier noch ein paar Eindrücke aus Udaipur. Ich kann Euch nur empfehlen, diesen traumhaft schönen Ort zu besuchen – am besten nach dem Monsun, wenn der See prall gefüllt ist.
Meine Indien Reise liegt übrigens schon ein paar Jahre zurück, ich war 2010 dort, aber da hatte ich noch keinen Blog, sondern nur mein Tagebuch und eine Kamera… Ich freue mich schon jetzt, im September 2015 die ersten Wochen meiner Weltreise in Indien zu verbringen. Erste Station wird dann Rishikesh, wo ich versuchen werde, 12 Tage in einem Ashram zu überstehen.