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OO Nina – Mission Bordtoilette

Reisen ist nicht immer nur wunderbar und ich habe beschlossen, nichts auszulassen, wenn ich von meiner Weltreise schreibe. Drei Wochen Indien ohne die kleinste Irritation im Verdauungstrakt und nach nur einer Nacht in Bangkok habe ich das Gefühl, auf der Bordtoilette eines Air Asia Fluges zu verenden. Ich musste ja unbedingt Streetfood in China Town essen. Wobei ich eher glaube, dass Subway mich auf dem Gewissen hat. Der Salat auf dem Sandwich sah schon ein bisschen kompostiert aus.

Das Gute an der Situation: Sie passiert nicht auf dem Flug von Indien nach Thailand, dann hätte ich gleich im Mittelgang die Hose runterlassen können, da der gesamte Flieger gleichzeitig am Klo anstand. Auch noch nie erlebt. Das Schlechte: Habt Ihr schon einmal Durchfall gehabt und versucht, Euch zu erleichtern, während Ihr durch Turbulenzen fliegt und Euch nicht aufs Klo setzen wollt? Nein? Ich auch nicht, aber man lernt ja nie aus und wieder bin ich dankbar, die letzten Wochen in Indien und mit Yoga verbracht zu haben. Drei Wochen kontaktloses Kacken stärkt die Muskulatur, Yoga ebenfalls, und so überstehe ich irgendwie.

In Denpasar auf Bali gelandet, kriege ich erst einmal einen Lachflash, als ich auf dem Klo diese Grafik sehe:

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Indien: Krishna und die heilige Banane

Indien gibt so viele Rätsel auf. Beim Versuch zu begreifen fällt manchmal Lehrgeld an. Überall in Indien sieht man Sadhus. Oder man glaubt, dass es Sadhus sind. Weil man es nicht besser weiß. Sadhu ist Sanskrit und bedeutet guter oder heiliger Mann. Je nachdem, wen man fragt. Sadhus haben allen materiellen Besitz freiwillig hinter sich gelassen und verschreiben sich ganz der Suche nach Spiritualität. Natürlich sehe ich sie auch in Rishikesh. Ein Mann, der wie einer der Sadhus gekleidet ist, ist mehrmals täglich im Ashram zu sehen. Nach einem Spaziergang am Ganges laufe ich ihm in die Arme und er singt für mich. Er hört gar nicht mehr auf und irgendwie ist immer Krishna im Spiel. Das ist schön und befremdlich zugleich und mich beschleicht ein Gefühl des Unwohlseins, das ich wegzuschieben versuche.

Echte Sadhus sind eigentlich sehr zurückhaltend und auf sich konzentriert. Man gibt ihnen ein paar Rupien oder etwas zu essen und dann zieht jeder seines Weges. Das hier ist anders und mein schlechtes Gefühl soll mich nicht täuschen. Der Mensch, der mir hier gegenübersteht, ist weniger an Spiritualität als an Cash interessiert. Obwohl ich das bereits spüre, höre ich ihm zu, versuche aber zu signalisieren, dass ich raus will aus dieser Situation – noch unsicher, ob ich nicht doch einen heiligen Mann mit meinen Vorurteilen geringschätze.

Nun „darf“ ich den Gesang filmen, was ich gar nicht will, aber ein Anflug falscher Höflichkeit und Faszination lässt mich mein Handy zücken. Natürlich hätte er gerne ein bisschen Geld und weil es ohnehin schwer zu entscheiden ist, wem man in Indien nun gerade warum hilft, gebe ich ihm ein paar Scheine. Noch singend nimmt mich dieser Mensch in den Arm und noch ehe ich mich aus dieser Annäherung befreien kann, drückt er mir ein Küsschen auf die Wange. Wer Indien kennt, weiß wie hochgradig unangemessen das in diesem Land ist. Ich lasse den Nicht-Sadhu sitzen und ziehe von dannen, wütend auf mich selbst, weil ich nicht auf mein wirklich ziemlich verlässliches Bauchgefühl gehört habe. Aber so ist Indien: Es schenkt so unglaublich schöne Augenblicke, die tollsten Begegnungen, die lehrreichsten Gespräche, aber es gibt eben auch immer wieder diese Situationen, in denen man Lehrgeld zahlen muss.

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In einem armen Land werden Menschen kreativ wenn es darum geht, die nächste Mahlzeit sicherzustellen. Es gibt so viele kurze Begegnungen, die mir fast das Herz zerreißen – zum Beispiel, wenn ich einen abgemagerten Greis auf der Straße mitten im Elend sitzen sehe und ich weiß, dass  ich nicht jedem dieser Menschen etwas abgeben kann. Das Leben ist so unausgeglichen. Wir sitzen täglich in unserem fetten Wohlstand und beklagen uns über Bullshit und hier sind Menschen jeden Tag aufs Neue damit konfrontiert, sich im Kampf um Arbeit, Platz und Nahrung behaupten zu müssen. Klagen hört man wenig. Arme westliche Welt schießt es mir da manchmal durch den Kopf.

Aber ich wollte ja über Kreativität schreiben: Ein alter Mann läuft durch Rishikesh und spricht Menschen für etwas Geld an, sein halb zahnloses Lächeln startet die Konversation und er sagt: „Excuse me, I am schizophrenic, can you help me?“ Auf die Nachfrage, welcher Hilfe es denn bedarf erfahre ich, dass er sich gerne behandeln lassen möchte und dafür natürlich Geld braucht. Ich muss grinsen, er macht das auf eine nette Art, doch ich weiß schon mehr über diesen Menschen als ihm bewusst ist. Verena aus Berlin hat mir den Mann im Vorbeigehen gezeigt und mir erzählt, wie er sie vor einigen Jahren um einen für indische Verhältnisse ordentlichen Betrag erleichtert hat. Damals war er mit amtlich aussehenden Dokumenten unterwegs, die attestierten, dass er sehr schwer erkrankt sei und er brauchte Geld für die anstehende Operation. Auch das ist Indien und es gehört zum Spiel, hier manchmal ein Auge zuzudrücken und die Kreativität hinter der Dreistigkeit der Lüge zu belohnen. Bei anderen Begegnungen spielt man mit und lügt selbst, was das Zeug hält. Indien, Du widersprüchliches, tolles Land!

Am Nachmittag schiebt sich eine Mini Prozession am Ashram vorbei. Ein Wagen, dröhnende Lautsprecher und eine Menge Menschen, die Bananen an die Passanten verteilen. Ich bin neugierig, laufe ein Stück mit, versuche zu begreifen. Die Auflösung: ich bekomme eine „holy banana“ geschenkt und gucke dumm aus der Wäsche. Indien, Deine Rätsel!

(Übrigens habe ich ja inzwischen indische Freunde und habe gelernt, dass Sadhus keine ‘Uniform’ haben. Meine Assoziation war hier falsch. Jeden Tag lernt man dazu in incredible India.)

Rishikesh: Ankommen im Parmarth Niketan

Nach sieben Stunden Fahrt komme ich in Rishikesh an. Es dauert lange, den Moloch Delhi hinter sich zu lassen. Der Verkehr ist unfassbar dicht.  Der Ashram Parmarth Niketan liegt am Ostufer des Ganges, der Weg führt über eine Fußgängerbrücke. Zusammen mit einem Porter und seinem Karren mache ich mich auf den Weg. Auf der Brücke: Menschen, Kühe, Affen, Motorroller, Hunde und Handkarren. Die allgegenwärtige Hupe schiebt jeden Fußgänger zur Seite – es gilt das Recht des Stärkeren. Inder lassen sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen, also Kopf zu und ‚go with the flow’. Weiterlesen